Die ersten Minuten und Stunden
Wie Sie Ihr Kind begrüßen werden, welche Hochschaubahn der Gefühle Sie erleben werden, wie viele Tränen Sie vergießen werden – dies und noch viel mehr kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, denn jeder Vater erlebt die ersten Momente auf seine ganz individuelle und persönliche Art und Weise!
Bonding – Was ist das?
Unmittelbar nach der Geburt unterstützt das Bonding die Verbindung von Ihrer Partnerin und Ihnen zu Ihrem Kind. (Anmerkung: „To bond“ bedeutet dabei übersetzt soviel wie „zusammenkleben“, „zusammenschweißen“, „verbinden“. Es handelt sich also beim Begriff Bonding um eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Aspekte der frühen Bindung zwischen Vater und Kind sowie Mutter und Kind.) Ihr Kind erfährt durch einen intensiven Hautkontakt zu Ihnen und Ihrer Partnerin – es wird dabei zuerst auf die Brust der Mutter gelegt – Verlässlichkeit, Schutz und Geborgenheit und ein Urvertrauen kann aufgebaut werden. In den meisten Fällen wird es auch sogleich die Brust der Mutter suchen und das erste Mal an dieser saugen. Für diese wichtigen Momente zu dritt sollten Sie im Krankenhaus oder zu Hause genügend Zeit und Ruhe in einer angenehmen und entspannten Atmosphäre haben.
Während dieser Phase spielt das Hormon Oxytozin eine wichtige Rolle. Oxytozin wird auch als „Liebeshormon“ oder „Bindungshormon“ bezeichnet und wird unter anderem beim Geschlechtsverkehr ausgeschüttet. Während der Geburt löst es Muskelkontraktionen aus und nach der Geburt unterstützt es die Milchproduktion bei der Mutter. Da besonders viel Oxytocin unmittelbar nach der Geburt bei Kind und Mutter ausgeschüttet wird, unterstützt ein intensiver Hautkontakt die frühe Bindung zwischen Kind und Eltern.
Ist ein Hautkontakt unmittelbar nach der Geburt – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich, so können Sie und Ihr Kind auch zu einem späteren Zeitpunkt von einer intensiven Kontaktaufnahme profitieren.
Die ersten Tage nach der Geburt
Nach der Geburt werden Sie nach einer gewissen Zeit – so Ihre Partnerin im Krankenhaus entbunden hat – wieder nach Hause kommen. Es beginnt nun ein neuer Alltag als Familie und aus der Zweierbeziehung wird nun mehr und mehr eine Dreierbeziehung. Nehmen Sie sich für diese erste intensive Zeit zu dritt so viel Zeit als möglich. Folgende Empfehlungen können hilfreich sein für die erste Zeit in den eigenen vier Wänden.
- Engagieren Sie sich von Anfang an bei der Pflege Ihres Kindes – wickeln und baden Sie es.
- Körperkontakt ist gerade in der ersten Zeit wichtig für den Aufbau einer Beziehung zum Kind. Tragen Sie es eng am Körper in der Wohnung herum und legen Sie es auf Ihren nackten Oberkörper.
- Seien Sie sich bewusst, dass Sie genauso wie Ihre Partnerin sich erst langsam und Schritt für Schritt an Ihr Kind gewöhnen müssen. Sie müssen beide lernen, wie Sie auf die Bedürfnisse Ihres Kindes adäquat reagieren. Unterstützen Sie sich bei diesen wichtigen Lernprozessen und lernen Sie voneinander.
- Versuchen Sie, Ihre Partnerin im Haushalt soviel als möglich zu entlasten: Organisieren Sie den Haushalt, räumen Sie auf, kochen Sie, machen Sie die Wäsche und die Einkäufe und so weiter.
- Ermöglichen Sie, dass Ihre Partnerin phasenweise alleine sein kann und Zeit für sich hat.
- Wenn es finanziell machbar ist, engagieren Sie eine Haushaltshilfe, die eine Entlastung für Sie und Ihre Partnerin ist.
- Machen Sie sich auch bewusst, welchen Platz Sie und Ihre Partnerin in der Familie haben bzw. haben wollen und kommunizieren Sie dies immer wieder.
- Holen Sie sich Unterstützung von einer Wahlhebamme, welche in den ersten Tagen nach der Geburt zu Ihnen nach Hause kommt. Dies sollten Sie bereits zeitig vor der Geburt organisiert haben.
- Nehmen Sie sich so viel Urlaub oder Zeitausgleich von der Arbeit wie möglich bzw. kommen Sie pünktlich nach der Arbeit nach Hause.
- Wenn Sie ältere Kinder haben, binden Sie diese in dieser ersten Zeit ein und organisieren Sie unter Umständen eine zeitweise zusätzliche Betreuung für diese.
- Koordinieren und entscheiden Sie gemeinsam, wann Sie den ersten Besuch empfangen wollen. Sie haben ein Recht auf Ruhe und die Verwandten, Freund_innen und Nachbar_innen haben sicherlich ein Verständnis dafür. Sollten Sie Besuch bekommen, bitten Sie vorab, dass dieser unter Umständen ein Essen mitbringt.
Wenn Ihre Partnerin ambulant in einem Krankenhaus oder zu Hause entbunden hat, braucht sie Ihre Unterstützung im Vergleich zu einer stationären Geburt ganz besonders, da Sie von der Geburt noch geschwächt ist. Begleiten Sie sie auf die Toilette, wechseln Sie – wenn nötig – die Bettwäsche, erledigen Sie den Haushalt, damit sie sich ausruhen kann. Gehen Sie mit dem Kind für kurze Zeit spazieren, damit Ihre Partnerin sich ausruhen kann.
Geburtskrisen und traumatisierende Geburtserfahrungen
1. Traumatisierende Geburtserfahrungen
Häufigkeit: etwa 18-32 % der Geburten werden von Frauen traumatisch erlebt (Zeitschrift f. Geburtshilfe gibt 20% an). Körperliche und emotionale Gewalterfahrung in der Biographie stellen dabei einen grossen Risikofaktor dar, ebenso wie Angst vor der Geburt.
Schwierige Geburtssituationen bergen stets das Risiko einer Traumatisierung. Während Angst und Anspannung immer mehr zunimmt ist es Frauen nicht möglich auf ihre sonstigen Bewältigungsstrategien zurückzugreifen. Starke Schmerzen und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit machen ein
„Entkommen“ aus der immer bedrohlicheren Situation unmöglich. Das Geburtsereignis, das die Frauen erleben, übersteigt ihre Fähigkeiten und bisherigen Bewältigungserfahrungen. Die Situation wird als intensive Bedrohung erlebt und ist begleitet von intensiver Angst, absoluter Hilflosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust.
Beispiele für traumatisierende Geburtssituationen:
– Plötzlicher und unerwartet anderer Verlauf der Geburt (operative Eingriffe wie Dammschnitt, Saugglockengeburt)
– Kaiserschnittgeburten bei Gefahr für das Leben von Mutter und Kind
– zu rascher oder zu langwieriger Verlauf, eventuell mit ständiger Präsenz des CTG
– unachtsame Behandlung durch Geburtshelfer oder Angehörige
– Angst um das Leben des Kindes (z.b. dramatischer Herztonabfall)
– Verletzung der körperlichen Unversehrtheit durch Narben
– Erschütterung des Selbstwertgefühls als Frau, unerfüllte Erwartungen an die Geburt
– Totgeburt oder lebenslange Beeinträchtigung des Kindes
Kurzzeitige Folgen des Traumas im Wochenbett:
– Bindungsaufbau verläuft nach einer Operation langsamer, Mutter kann sich nicht so um das Baby kümmern wie sie es wünscht (Schmerzen, eingeschränkte Bewegungsfreiheit,…)
– Diffuse Gefühle wie Angst, Scham, Schuld stellen sich ein und können noch nicht eingeordnet werden
– Wut und Ärger auf sich selbst, die Geburtshelfer oder das Baby
– traumatische Stressreaktion
Längerfristige Folgen:
– Intrusionen (Gedanken an das Geschehen, Flashbacks, Albträume)
– Posttraumatische Belastungsstörung
Hilfe:
– Psychoedukation, um eigene Gedanken/Affekte als Folge einer Traumatisierung verstehen zu lernen
– Aufarbeitung des Erlebten, Psycho- bzw. Traumatherapie
2. Geburtskrisen:
Geburtskrisen können, müssen aber nicht in Zusammenhang mit einer traumatischen Geburtserfahrung stehen. Soziale Faktoren wie Trennungen, Gewalterfahrungen können ebenso wie biographische Vorbelastungen eine Rolle spielen.
Folgeerscheinungen können sein:
– Postpartale Depression, Babyblues
– Postpartale Psychose
– Angst- und Zwangstörungen
– Persönlichkeitsstörungen
– Posttraumatische Belastungsstörung
Beispiel Postpartale Depression: betrifft ca. 15-20% der Mütter, 10-15% der Väter
Mögliche Symptome: Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Ängste, Panikattacken, sexuelle Unlust, Stimmungsschwankungen, Traurigkeit, Schuldgefühle, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Zwangsgedanken, Suizidgedanken, Psychosomatische Beschwerden (Schwindel, Kopfschmerzen,
Magenschmerzen, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Verspannungen)
Anlaufstellen:
– Ambulanz für Perinatalpsychiatrie Klinik Ottakring, Pav.13 (für Mütter UND Väter)
– Psychiater, Psychotherapeuten in der Umgebung
– Frühe Hilfen Österreich (www.fruehehilfen.at)
Quellen:
Tanja Sahib: Es ist vorbei – Ich weiss es nur noch nicht. Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen, ISBN 9783848267927
Weitere Informationen:
www.geburtsinfo.wien
www.postpartale-depression.ch
www.kriseundgeburt.de
Weitere Kontaktstellen finden sich in der Broschüre „Eigentlich sollte ich
glücklich sein“ des Bundesministeriums für Soziales und Gesundheit
(Download über www.sozialministerium.at)
Babyblues
Der Babyblues (oder auch Heultage genannt) tritt bei Müttern plötzlich am dritten oder vierten Tag nach der Geburt auf. Bis zu 75% aller Mütter von Neugeborenen erleben dieses vorübergehende Gefühlstief, das ebenso plötzlich innerhalb weniger Stunden oder Tage verschwindet, wie es gekommen ist. Grund für den Babyblues sind die hormonellen Schwankungen. Sie können Ihre Partnerin dahingehend unterstützen, indem Sie Ihr Zuwendung geben, Verständnis für Sie haben und auf keinen Fall die Gefühle herunterspielen. Seien Sie für sie da, nehmen Sie sie in den Arm und sorgen Sie für Entlastung. Auch wenn Sie als Vater selbst keinen Babyblues haben, so können auch für Sie die ersten Tage und Woche nicht immer ganz einfach sein. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Partnerin oder anderen Vätern, wenn Sie Unzufriedenheit verspüren oder verstimmt sind.
Die ersten Wochen nach der Geburt
Nach den ersten aufregenden Tagen zu Hause entsteht mit der Zeit zusehends eine gewisse wohltuende Routine. Das Windeln wechseln klappt bereits ganz gut, auch das erste Bad haben Sie gemeinsam gemeistert und Sie wissen besser, in welchen Positionen Sie Ihr Kind am besten beruhigen können. Sie werden aber auch immer wieder bemerken, dass sich immer wieder von heute auf morgen gut eingespielte Routinen plötzlich nicht mehr wirken. Dass Ihr Kind nach Tagen, in welchen Sie ruhigere Nächte hatten, plötzlich ständig in der Nacht aufschreit. Solche und andere Veränderungen sind zum Teil völlig normal und können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Vielleicht hat Ihr Kind einen Wachstumsschub, vielleicht bekommt es gerade (so zirka um das 6. Lebensmonat) die ersten Zähne oder aber es verträgt die Beikost zu Beginn nicht besonders gut. Für Ihr Kind ist genauso wie für Sie jeder neuer Tag ein Tag voller neuer Eindrücke und Erlebnisse. Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn einmal etwas nicht so leicht von der Hand geht.
Wochenbettdepression und Wochenbettpsychose
Während der Babyblues ein ganz normales, hormonell bedingtes Phänomen ist, handelt es sich bei der Wochenbettdepression um eine ernst zu nehmende schwere Depression. Diese wird auch portpartale (bedeutet: nach der Geburt) Depression genannt. Mindestens eine von zehn Müttern macht diese Erfahrung mit folgenden Symptomen: Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Appetitlosigkeit, Schlafprobleme unabhängig vom Baby, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, übertriebene Ängstlichkeit das Baby betreffend, Angst das Baby zu verletzen, Schuldgefühle und Gefühle der Minderwertigkeit. Sollten Sie bemerken, dass diese Symptome in den Wochen nach der Geburt über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen durchgehend vorhanden sind, sprechen Sie mit Ihrer Partnerin darüber und suchen Sie gemeinsam Unterstützung bei ExpertInnen. Bei weniger schweren Formen der Wochenbettdepression kann Entlastung durch eine Psychotherapie geschaffen werden. Bei schwereren Formen ist mitunter zusätzlich eine medikamentöse Behandlung notwendig. Auf alle Fälle braucht es entsprechenden Begleitmaßnahmen, wie zum Beispiel Entlastung der Mutter und intensive Unterstützung bei der Betreuung des Kindes.
Die Wochenbettpsychose tritt bei etwa 1 bis 2 von 1000 Müttern und innerhalb der ersten 8 Wochen nach der Geburt auf. Die Symptome sind ähnlich, wenn auch stärker, im Vergleich zu einer Wochenbettdepression. Zudem können Wahnsymptome und Halluzinationen auftreten, welche sich häufig um die Geburt oder das Kind drehen. Da unter Umständen in solch einer Phase auch das Kind gefährdet ist, sollten Sie mit Ihrer Partnerin professionelle Unterstützung bei einem Arzt bzw. einer Ärztin suchen.
Wenn das Kind nicht aufhört zu schreien – Schreibabys
Alle kleinen Kinder schreien, da dies die beste Möglichkeit ist, auf sich aufmerksam zu machen und seine Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Sollte Ihr Kind jedoch über mehrere Stunden hinweg schreien und sich nicht beruhigen lassen, kann dies zu einer großen Belastung werden. Von einem Schreibaby sprechen Expert_innen dann, wenn das Kind mehr als drei Stunden am Tag, mehr als dreimal pro Woche, und das über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen schreit.
Die Gründe für diese intensiven Schreiphasen können von Kind zu Kind und Familie zu Familie unterschiedlich sein. So können organische Ursachen vorliegen (zum Beispiel Verdauungsstörungen) oder aber Ihr Kind ist empfindlicher gegenüber Veränderungen. Denn schließlich bedeuten die ersten Lebensmonate eine große Umstellung und viele Reifeprozesse müssen bewältigt werden: Ihr Kind muss sich erst an den Tag-Nacht-Rhythmus gewöhnen, es muss sich an die neue Umgebung außerhalb des mütterlichen Körpers anpassen, es muss den Temperaturhaushalt und das Immunsystem entwickeln, sich an die neue Ernährung gewöhnen, und so weiter.
Schreibabys reagieren auch empfindsamer und intensiver auf Umweltreize. So können auch Anspannung und Stress von Ihrer Seite oder von Seiten Ihrer Partnerin für Ihr Kind spürbar sein. Es reagiert mit Schreien, dies kann zu mehr Stress seitens der Eltern führen, und so weiter. Es entsteht ein Teufelskreis, aus dem mitunter nur schwer rauszufinden ist.
Doch Sie sind nicht alleine: Zirka 20 Prozent aller Kinder sind Schreibabys und in Österreich gibt es extra eingerichtete Schreiambulanzen, wo Sie und Ihre Partnerin Unterstützung erhalten.
Quicklink: Schreiambulanzen (Gesundheitsportal.gv.at)
Quicklink: Schreibabys (Gesundheitsportal.gv.at)
Folgende Strategien haben sich für den Umgang mit Schreibabys bewährt:
- Strukturieren Sie den Tagesablauf mit regelmäßigen Schlafphasen am Tag.
- Nutzen Sie die Wachphasen Ihres Kindes für gemeinsame Spiele und Dialoge.
- Nehmen Sie sich eine Auszeit, wenn die Belastung zu groß wird und wechseln Sie sich mit Ihrer Partnerin oder anderen Bezugspersonen ab.
- Überfluten Sie Ihr Kind nicht mit zu vielen Reizen.
- Konzentrieren Sie sich auf wenige, gleichbleibende Beruhigungsarten und probieren Sie nicht immer sofort Neues aus.
- Entwickeln Sie Strategien für die Überbrückung von kritischen Schreiphasen.
Der plötzliche Kindstod
Vom plötzlichen Kindstod, auch SIDS (englisch für „Sudden Infant Death Syndrome“) genannt, spricht man, wenn ein scheinbar gesundes Kind unter einem Jahr ohne Vorwarnung stirbt. In Österreich sterben sechs von 10.000 Kindern jedes Jahr am plötzlichen Kindstod. Es ist also weniger die absolute Zahl, welchen diesen so beängstigend erscheinen lässt, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Tod unvorhergesehen eintritt.
Die Ursachen für den plötzlichen Kindstod können sein:
- Körperliche Abweichungen, unter anderem im Gehirn des Kindes.
- Probleme bei der Regulierung des Blutdruckes.
- Das Vorliegen einer Entwicklungsstörung, wodurch die richtige Atmung noch nicht so gut entwickelt ist.
Auch gibt es gewisse Risiken, wie zum Beispiel der Schlaf auf dem Bauch, ein geringes Geburtsgewicht (weniger als 2500 Gramm), eine zu frühe Geburt, rauchende Eltern oder aber eine ungenügende Schwangerschaftsvorsorge. Seien Sie sich einerseits der Risiken bewusst, bedenken Sie aber andererseits, dass jedes Jahr nur sehr wenige Kinder vom plötzlichen Kindstod betroffen sind.